Studium der Geisteswissenschaften - was man vor der Inskribtion bedenken sollte
Geisteswissenschaftliche Studiengänge sind mit vielen Anforderungen an ihre Absolventen verbunden. Und das trifft nicht nur während des Studiums, sondern auch davor und danach zu. An meinem ersten Studientag saß ich zusammen mit 80 anderen Studienanfängern im Hauptvorlesungssaal unseres Instituts. Es war ein in die Jahre gekommener, muffiger, dunkler Raum im Keller und nichts hätte das Standing meines Studiums auf der Uni und in der Gesellschaft besser beschreiben können. Pünktlich zu Vorlesungsbeginn betrat eine altgediente Professorin den Raum. Sie war auf ihrem Gebiet eine im deutschen Raum anerkannte Größe und hatte schon eine Menge an Büchern und Fachartikeln veröffentlicht. An diesem ersten Vorlesungstag blickte sie uns zunächst einmal lange und schweigend an.
Wir Erstsemester blickten abwartend zurück. Was würde jetzt kommen? Eine inspirierende Ansprache? Ein freudiges Willkommen im Namen der Universität und des Instituts? „Nein, ich kann es nicht!“ stieß sie plötzlich mit einem Seufzer hervor. „Nein, ich kann Euch nicht anlügen! Die Wahrheit ist, ein Großteil von Euch wird es später einmal sehr schwer haben, einen gut bezahlten Beruf zu finden, ja überhaupt, einen Job zu finden.“ Bam! Das saß. Tatsächlich war das aber nichts Besonderes. Denn wie ich in den folgenden Jahren herausfinden sollte, ist es in vielen geisteswissenschaftlichen Studienrichtungen mittlerweile Usus, dass die Professoren am ersten Vorlesungstag die Neuankömmlinge eindringlich davor warnen, dass sie in die Arbeitslosigkeit studieren.
Damals wollte ich das alles noch nicht
glauben. Ich muss zugeben, dass ich wohl ziemlich naiv war, als ich mir zu
Beginn meines Studiums einredete, dass mich Dinge wie hoher
Konkurrenzdruck, Unsicherheit über den eigenen Werdegang, schlecht bezahlte
Jobs, geringe gesellschaftliche Anerkennung oder Angst vor einem Abdriften ins
Bildungsprekariat nie betreffen würden. Darum nochmals mein Ausdrücklicher Hinweis: Überlegt es Euch sehr gut, wenn
Ihr ernsthaft vorhabt, ein geisteswissenschaftliches Studium zu belegen!
Doch kommen wir nun zum Wesentlichen. Für
alle, die sich entschließen, beziehungsweise bereits entschlossen haben, diesen
Schritt zu machen, gilt es, ein paar grundsätzliche Überlegungen anzustellen.
Diese Punkte sind im Folgenden aufgelistet:
- Was für einen Beruf möchte ich nach dem Studium ausüben?
Ich weiß, es hört sich banal an. Aber viele
Neuinskribent/innen scheinen sich vor Beginn ihres Studiums keine oder nur
wenige Gedanken darüber zu machen, was sie später für einen Job ausüben wollen.
Wenn sie sich mit der Frage "was studieren?" konfrontiert sehen, wählen viele Studienanfänger/innen ihr Fach scheinbar zunächst einfach nur aus Verlegenheit. Zumindest war es bei mir so. Ungefähr nach dem
Motto: Hauptsache mal irgendwas Interessantes studieren – der Rest wird sich
schon noch weisen. Dabei wäre es wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, was
man eigentlich möchte. Denn nur, wenn man eine Vorstellung davon hat, wie es
beruflich in Zukunft weitergehen soll, kann man sich ernsthaft mit der nächsten
Frage befassen:
- Steigert das avisierte Studium meine Chancen, einen Job im von mir gewünschten Bereich zu finden?
Vor der Inskription ist es sehr ratsam, sich möglichst viele
Informationen zum geplanten Studium zu
besorgen. Sei es im Internet, durch Broschüren, oder durch Diskussionen mit
anderen Studierenden. Ich rate zum direkten Kontakt mit Kommiliton/innen, die
bereits seit einigen Semestern das angepeilte Studium belegt haben, denn diese
können einen meist besser über vorhandene Vor- und Nachteile aufklären. Ich
habe den Fehler gemacht, mich auf die schwammig formulierten Beschreibungen in
einer am Institut aufgelegten Broschüre zu verlassen. Dort waren rund zehn
verschiedene Berufsfelder aufgelistet, was sich zunächst toll und interessant
anhörte, bis ich Monate später realisierte, dass sie zum Teil ähnliche
Tätigkeiten beschrieben, für welche in einem Radius von 200km gerade einmal
zwei freie Stellen ausgeschrieben waren.
- Erscheinen mir die im Studium vermittelten Inhalte und Kompetenzen sinnvoll und hilfreich?
Dies bezieht sich nicht nur auf die unmittelbar mit dem
Studium in Zusammenhang gebrachten Berufsbilder. So sollten angehende
Studierende sich darüber Informieren, ob die im Studium vermittelten Inhalte
auch auf andere Berufsfelder anwendbar sind. Der Grund ist folgender:
Geisteswissenschaftliche Studien vermitteln primär Allgemeinwissen.
Generalisten werden aber bis auf wenige Ausnahmen kaum gesucht, weshalb eine
Spezialisierung auf einen für potentielle Jobanbieter interessanten Fachbereich
ratsam ist. Problematisch ist jedoch oft, dass viele geisteswissenschaftliche
Studien wenn, dann kaum Spezialisierung in „lebensnahen“ Bereichen, also fern
des Elfenbeinturms, anbieten. Als Kunsthistoriker hat man im Zuge seines
Studiums überspitz formuliert kaum eine andere Wahl, als sich auf „friulanische
Maler der Spätrenaissance“ zu spezialisieren. In den Augen des
durchschnittlichen Personalers ist das schwerverdauliche Kost, die keinen Praxisbezug
aufweist.
- Was kann ich abseits des Studiums tun, um zusätzliche Qualifikationen zu erhalten, mit denen sich die spätere Jobsuche einfacher gestaltet?
Der akademische Grad allein reicht heute
fast keinem Arbeitgeber mehr. Das gilt, wie oben beschrieben, insbesondere für
Geisteswissenschaftler, die im Zuge ihrer Studien zwar eine Menge
theoretisches, aber wenig praktisches Wissen sammeln konnten. Um das eigene
Profil zu schärfen gibt es verschiedene Möglichkeiten. Aber auch diese sollten
wohl überlegt sein. So öffnet ein Jahr im Ausland nicht automatisch Tür und
Tor in international tätige Firmen, wenn die Zeit in einem fremden Land in
einer „unternehmensfremden“ Tätigkeit verbracht wurde. Wer zum Beispiel in der
freien Wirtschaft arbeiten möchte, wird mit einem Praktikum in einer sozialen
Einrichtung wahrscheinlich wenig punkten können. Ein Blick auf die
Stellenausschreibungen von Unternehmen und Einrichtungen kann hier sehr
hilfreich sein, um besser abschätzen zu können, welche Qualifikationen und Eigenschaften
für eine bestimmte Position gesucht werden.
DM.108
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